Sozialauswahl: Rentennähe darf Rolle spielen

Bei einer betriebsbedingten Kündigung darf der Arbeitgeber bei der Sozialauswahl berücksichtigen, dass ein Arbeitnehmer bereits eine vorgezogene, abschlagsfreie Altersrente bezieht oder diese bald beziehen könnte. Ausgenommen hiervon sind lediglich Altersrenten für schwerbehinderte Menschen. So lautet ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG).

Dem Urteil lag die Kündigungsschutzklage einer 63 Jahre alten Frau zugrunde, die seit 1972 bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt war. Als das Unternehmen 2020 Insolvenz anmelden musste, wurde der Frau zusammen mit weiteren 60 von insgesamt 396 Beschäftigten gekündigt. Der beklagte Insolvenzverwalter vertrat die Ansicht, dass die Klägerin in ihrer Vergleichsgruppe sozial am wenigsten schutzwürdig sei, da sie zeitnah nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte beziehen könnte. Hiergegen legte die Frau Klage ein, insbesondere im Hinblick auf einen ungekündigten Kollegen, der viel jünger und dessen Betriebszugehörigkeit weit kürzer sei.

Die Richter des BAG vertraten die Ansicht, dass die Betriebsparteien bei der Kündigung sehr wohl die Rentennähe der Klägerin berücksichtigen durften. Die Schutzbedürftigkeit steige zwar aufgrund schlechterer Vermittlungsaussichten mit steigendem Lebensalter an. Andererseits falle sie jedoch wieder ab, wenn der Arbeitnehmer spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses über ein Ersatzeinkommen in Form einer abschlagsfreien Rente verfügen könne bzw. bereits darüber verfüge.

BAG, Urteil vom 8. 12. 2022, 6 AZR 31/22