Energiepreispauschale: Praktische Umsetzung
Der Gesetzgeber hat die Arbeitgeber verpflichtet, allen ihren Mitarbeitern, mit denen am 1. September 2022 ein aktives erstes Dienstverhältnis besteht, im September 2022 die sog. Energiepreispauschale (EPP) in Höhe von je 300 EUR auszuzahlen. Die Refinanzierung für die Arbeitgeber erfolgt über Entnahmen aus dem Lohnsteueraufkommen.
Anspruchsberechtigte Arbeitnehmer
Anspruch auf die EPP haben alle Personen, die während des Jahres 2022 – ggf. auch nur für einen Teil des Jahres – in Deutschland wohnen oder sich gewöhnlich dort aufhalten (unbeschränkte Einkommensteuerpflicht) und im Jahr 2022 Einkünfte
- aus Land und Forstwirtschaft,
- aus Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit oder
- als Arbeitnehmer aus einer aktiven ersten Beschäftigung
beziehen.
Unter anderem sind anspruchsberechtigt:
- Arbeiter, Angestellte, Auszubildende, Beamte, Richter, Soldaten,
- kurzfristig und geringfügig entlohnte Beschäftigte sowie Aushilfskräfte in der Land- und Forstwirtschaft, unabhängig von der Art des Lohnsteuerabzugs (pauschale oder individuelle Lohnsteuer),
- Arbeitnehmer in der passiven Phase der Altersteilzeit,
- Personen, die ein Wertguthaben bei der Deutschen Rentenversicherung Bund entsparen,
- Freiwillige i. S. § 2 Bundesfreiwilligendienstgesetz (BFDG) bzw. § 2 Jugendfreiwilligendienstegesetz (JFDG),
- Arbeitnehmer, die steuerpflichtige oder steuerfreie Zuschüsse des Arbeitgebers erhalten (z. B. nach § 20 Mutterschutzgesetz – MuSchG),
- im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Grenzpendler und Grenzgänger,
- Personen, die ausschließlich steuerfreien Arbeitslohn beziehen (z. B. ehrenamtlich tätige Übungsleiter oder Betreuer),
- Werkstudenten und Studenten im entgeltlichen Praktikum,
- Menschen mit Behinderungen, die in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen tätig sind.
Anspruchsberechtigt sind auch Arbeitnehmer mit einem aktiven ersten Dienstverhältnis, die dem sog. Progressionsvorbehalt gem. § 32b EStG unterliegende Lohnersatzleistungen beziehen (z. B. Kurzarbeitergeld, Insolvenzgeld, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Elterngeld, Verdienstausfallentschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz).
Nicht anspruchsberechtigt sind Empfänger von Arbeitslosengeld I, weil bei ihnen kein Dienstverhältnis besteht.
Wichtig:
- Der Anspruch auf die EPP entsteht zum 1. September 2022. Dieses Datum markiert aber keinen Stichtag für die Anspruchsvoraussetzungen. Anspruch auf die EPP haben Personen, die irgendwann im Jahr 2022 die Voraussetzungen erfüllen. Anspruch besteht z. B., wenn ein Arbeitnehmer nur zum Jahresbeginn 2022 in einem aktiven ersten Dienstverhältnis stand.
- Die EPP ist nicht beitragspflichtig in der Sozialversicherung. Dementsprechend wird die EPP bei Minijobs auch nicht auf die Geringfügigkeitsgrenze angerechnet.
- Rentner/Versorgungsempfänger sind nicht anspruchsberechtigt. Wenn Senioren neben ihren Alterseinkünften beispielsweise noch als Freiberufler oder Unternehmer tätig sind, erhalten sie wiederum die EPP.
- Anspruchsberechtigte Nichtarbeitnehmer erhalten die EPP über eine Minderung der ggf. zum 12. September 2022 zu zahlenden Einkommensteuer-Vorauszahlung oder ansonsten im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2022.
- Bei Nichtarbeitnehmern wird die EPP im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2022 als sonstige Einkünfte steuerpflichtig behandelt.
Auszahlung an Arbeitnehmer
Arbeitnehmer erhalten die EPP vom inländischen Arbeitgeber ausgezahlt, wenn sie unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und am 1. September 2022
- in einem gegenwärtigen ersten Dienstverhältnis stehen und
- in eine der Steuerklassen I bis V eingereiht sind oder im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung nach § 40a Abs. 2 EStG pauschal besteuerten Arbeitslohn beziehen und dem Arbeitgeber schriftlich bestätigen, dass es sich um das erste Dienstverhältnis handelt.
Auch in den Fällen des Bezugs von Lohnersatzleistungen, die zum Bezug der EPP berechtigen (siehe oben), hat der Arbeitgeber die EPP an den Arbeitnehmer auszuzahlen, soweit dieser am 1. September 2022 in einem Dienstverhältnis steht.
Der Arbeitgeber zahlt dagegen die EPP nicht an seine Arbeitnehmer aus, wenn
- der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, Lohnsteuer-Anmeldungen abzugeben (z. B. weil die Höhe der Löhne so gering ist, dass keine Lohnsteuer anfällt, oder der Arbeitgeber ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigte (Minijobber) hat, bei denen die Lohnsteuer mit 2 Prozent pauschal erhoben wird) oder
- der Arbeitgeber mit jährlichem Anmeldungszeitraum auf die Auszahlung an den Arbeitnehmer verzichtet hat oder
- der Arbeitnehmer in den Fällen der Pauschalbesteuerung mit 2 Prozent bei Minijobs dem Arbeitgeber nicht schriftlich bestätigt hat, dass es sich um das erste Dienstverhältnis handelt oder
- der Arbeitnehmer kurzfristig beschäftigt oder eine Aushilfskraft in der Land- und Forstwirtschaft ist.
Die Arbeitnehmer erhalten in diesen Fällen die EPP nach Abgabe einer Einkommensteuererklärung beim Wohnsitz- Finanzamt für das Jahr 2022 im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung, d. h. frühestens zu Jahresanfang 2023.
Arbeitgeber haben die EPP in der Regel im September 2022 an ihre Arbeitnehmer auszuzahlen. Davon abweichend kann sie im Oktober 2022 an Arbeitnehmer ausgezahlt werden, wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer-Anmeldung vierteljährlich abgibt (Wahlrecht für die Auszahlung der EPP). Bei jährlicher Lohnsteuer-Anmeldung kann der Arbeitgeber ganz auf die Auszahlung verzichten. In diesem Fall können die Arbeitnehmer die EPP über die Abgabe einer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2022 erhalten.
Erfolgt die Auszahlung aus organisatorischen oder abrechnungstechnischen Gründen nicht mehr fristgerecht im September 2022, so kann die Auszahlung mit der Entgeltabrechnung für einen späteren Abrechnungszeitraum des Jahres 2022 erfolgen, spätestens bis zur Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung.
Beispiel 1
Sachverhalt: Das aktive erste Dienstverhältnis endet zum 31. Juli 2022. Ab dem 1. August 2022 bezieht der Arbeitnehmer eine Altersrente sowie eine lohnsteuerpflichtige Betriebsrente (Steuerklasse I).
Beurteilung: Der Betriebsrentner erhält die EPP nicht über den Arbeitgeber (kein aktives Dienstverhältnis zum 1. September 2022/Betriebsrente führt nicht zum Anspruch), sondern über die Abgabe einer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2022. Der Anspruch besteht, weil für 7 Monate ein aktives erstes Dienstverhältnis bestand.
Beispiel 2
Sachverhalt: Eine Arbeitnehmerin ist seit Jahren bei ihrem Arbeitgeber in einem aktiven ersten Dienstverhältnis angestellt und befindet sich zum 1. September 2022 in Elternzeit.
Beurteilung: Da die Arbeitnehmerin in einem aktiven ersten Dienstverhältnis angestellt ist, erfolgt bei Bezug von Elterngeld eine Auszahlung der EPP über den Arbeitgeber.
Beispiel 3
Sachverhalt: Ein Arbeitnehmer war von Januar bis September 2022 arbeitslos gemeldet und hatte auch keinen Minijob. Er nimmt am 1. Oktober 2022 eine Beschäftigung auf. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, monatlich seine Lohnsteuer-Anmeldungen abzugeben.
Beurteilung: Der Arbeitgeber darf die EPP hier nicht auszahlen, weil am 1. September 2022 kein gegenwärtiges erstes Dienstverhältnis vorliegt. Die EPP ist über die Abgabe einer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2022 geltend zu machen.
Bestätigung des ersten Dienstverhältnisses
Der Arbeitnehmer muss bei Minijobs, soweit der Arbeitslohn nach § 40a Abs. 2 EStG pauschal besteuert wird, dem Arbeitgeber schriftlich bestätigen, dass es sich um das erste Dienstverhältnis handelt. Die Bestätigung kann wie folgt formuliert sein:
„Hiermit bestätige ich ……… (Arbeitnehmer), dass mein am 1. September 2022 bestehendes Dienstverhältnis mit ……… (Arbeitgeber) mein erstes Dienstverhältnis (Haupt-Dienstverhältnis) ist. Mir ist bekannt, dass bei einer unrichtigen Angabe der Tatbestand einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit vorliegen kann.“
Die Energiepreispauschale (EPP) steht jeder anspruchsberechtigten Person nur einmal zu, auch wenn im Jahr 2022 mehrere Tätigkeiten ausgeübt werden. In den Fällen einer geringfügigen Beschäftigung (Minijob) darf der Arbeitgeber die EPP nur dann an den Arbeitnehmer auszahlen, wenn es sich bei der Beschäftigung um das erste Dienstverhältnis (Haupt-Dienstverhältnis) handelt. Dadurch soll verhindert werden, dass die EPP an einen Arbeitnehmer mehrfach ausgezahlt wird.
Refinanzierung für Arbeitgeber
Die Arbeitgeber können die EPP gesondert vom Gesamtbetrag der einzubehaltenden Lohnsteuer entnehmen, die bei
- monatlichem Anmeldungszeitraum bis zum 12. September 2022 (10. September 2022 = Samstag),
- vierteljährlichem Anmeldungszeitraum bis zum 10. Oktober 2022 und
- jährlichem Anmeldungszeitraum bis zum 10. Januar 2023
anzumelden und abzuführen ist. Übersteigt die zu gewährende EPP den Betrag, der insgesamt an Lohnsteuer abzuführen ist, wird der übersteigende Betrag dem Arbeitgeber von dem Finanzamt erstattet, an das die Lohnsteuer abzuführen ist. Technisch wird dies über eine sog. Minus-Lohnsteuer-Anmeldung abgewickelt. Dafür ist kein gesonderter Antrag des Arbeitgebers erforderlich. In diesem Fall wird der Erstattungsbetrag auf das Konto überwiesen, das dem Finanzamt vom Arbeitgeber genannt wird.
Pflichten von Arbeitgeber und -nehmer
Bescheinigungspflicht des Arbeitgebers
Eine vom Arbeitgeber ausgezahlte EPP ist in der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung oder in der Besonderen Lohnsteuerbescheinigung mit dem Großbuchstaben E anzugeben. Das Finanzamt kann dadurch in der Einkommensteuerveranlagung mögliche Doppelzahlungen (Auszahlung über den Arbeitgeber und zusätzlich im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2022) vermeiden.
Für geringfügig entlohnte Beschäftigte, für die der Arbeitgeber die Lohnsteuer nach § 40a Abs. 2 EStG mit 2 Prozent pauschal erhoben hat, ist auch bei Auszahlung der EPP keine Lohnsteuerbescheinigung auszustellen. Gibt der Arbeitnehmer eine Einkommensteuerklärung für 2022 ab, muss er in der Erklärung angeben, dass er die EPP bereits vom Arbeitgeber erhalten hat.
(Lohn-)Steuerpflicht der EPP
Bei Arbeitnehmern, die im Jahr 2022 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erzielt haben, wird die EPP grundsätzlich wie Arbeitslohn als Einnahme nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG für das Jahr 2022 berücksichtigt.
Die vom Arbeitgeber ausgezahlte EPP unterliegt als „sonstiger Bezug“ dem Lohnsteuerabzug. Bei der Lohnsteuerberechnung ist die EPP bei der Berechnung der sog. Vorsorgepauschale nicht zu berücksichtigen. Hintergrund hierfür ist, dass auf entsprechende Lohnteile keine Sozialversicherungsbeiträge anfallen.
Arbeitnehmer, die die EPP erst mit der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2022 geltend machen können, versteuern die EPP im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer mit der Einkommensteuerveranlagung für 2022, auch wenn die EPP erst in 2023 oder ggf. später zufließt. Das Finanzamt erhöht dann im Veranlagungsverfahren 2022 den vom Arbeitgeber mit der Lohnsteuerbescheinigung übermittelten Bruttoarbeitslohn um 300 EUR.
Bei Arbeitnehmern, die ausschließlich pauschal besteuerten Arbeitslohn aus einer kurzfristigen oder geringfügig entlohnten Beschäftigung oder einer Aushilfstätigkeit in der Land- und Forstwirtschaft erzielen und im gesamten Jahr 2022 keine weiteren anspruchsberechtigenden Einkünfte haben, gehört die EPP aus Vereinfachungsgründen nicht zu den steuerpflichtigen Einnahmen.
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat zur EPP einen Fragen-Antworten-Katalog entwickelt. Enthalten sind u. a. Informationen zu weiteren Besonderheiten, beispielsweise zur ggf. erforderlichen Rückforderung der EPP bzw. Korrektur der Lohnsteuer-Anmeldung.